Mit der Erweiterung „Wrath of the Lich King“ (WotLK) bekam World of Warcraft seine erste Heldenklasse: Den Todesritter. Lang erwartet und mit großen Vorschusslorbeeren bedacht, kam er bei den Spieler offenbar auch recht gut an. Jedenfalls trifft man die Burschen jetzt überall – und wenn es einer von der anderen Seite ist, überlebt man es meist auch nicht.
Zugegeben: Auch ich habe einen und es macht mir auch Spaß ihn hin und wieder zu spielen. Weniger Spaß macht es allerdings, wenn man einem begegnet. Selbst wenn so ein Bursche erst in den Siebzigern ist, benötigt man schon einen gut ausgerüsteten und geskillten Mainchar, wenn man überhaupt so etwas ähnliches wie eine Chance haben will: Dieses Ding ist so imba, wie nur irgendetwas imba sein kann.
Sein zweiter Vornamen lautet Imba: Der Todesritter macht so ziemlich alles problemlos platt
Naive Gemüter werden möglicherweise denken, dass der Todesritter so eine Art Belohnung für verdiente Spieler ist. Schließlich muss man erst einmal einen Char auf Lvl 55 gegrindet und gequestet haben, um sich überhaupt so einen Kerl respektive so ein Weib machen zu können. In Wirklichkeit steckt aber alles andere als ein noble Geste der WoW-Macher dahinter, sondern vielmehr handfeste Geschäftsinteressen.
Es wird immer einfacher…
Wer schon deutlich länger als ein paar Monate WoW spielt, wird sich noch gut erinnern, wie schwierig und mühsam das Leveln früher war. Es war eine wahre Schinderei, bis man endlich Level 40 wahr und sein Mount kaufen konnte. Und der damalige Höchstlevel 60 lag immer noch in weiter Ferne. Mittlerweile jdeoch geht es im Eiltempo durch Azeroth, ruck-zuck ist man 30, bekommt da bereits sein Mount und kann dann noch schneller von Quest zu Quest eilen.
Warum aber werden die Anforderungen an den Spieler immer weiter zurückgeschraubt? Und was soll der Todesritter dabei? Das wird klar, wenn man einige grundsätzliche Überlebungen anstellt: Solange es zu einem Spiel noch keine Erweiterung gibt, muss das Leveln langsam vonstatten gehen. Wenn ein Spieler nämlich den Höchstlevel erreicht hat, besteht die Gefahr, dass er aufhört weil er schon alles gesehen hat. Nicht jeder ist nämlich für immer weitergehende Verfeinerung seiner Ausrüstung und seiner Fähigkeiten, für heroische Instanzen und Tagesquests zu haben, sondern langweilt sich, wenn er den Höchstlevel erreicht hat.
Ist aber ersteinmal eine Erweiterung da, liegen die Verhältnisse komplett anders: Jetzt müssen die Neueinsteiger schnell leveln, damit sie auch die Erweiterung kaufen. Die neue Rasse, die es mit Burning Crusade jeweils für Horde und Allianz gab und einen Nutzen auch für diejenigen Käufer darstellte, die noch nicht groß genug für die Scherbenwelt waren, war wohl keine ausreichende Maßnahme. Nicht jeder will schließlich einen Oktopus im Gesicht haben oder aussehen wie Thomas Gottschalk. Wichtiger war es, das Leveln in der alten Welt zu beschleunigen, damit die Neueinsteiger möglichst bald in die Scherbenwelt konnten und dazu den Burning Crusade kauften, was dann auch im Herbst 2007 geschah.
In der Scherbenwelt ging es dann zunächst wieder nur zäh weiter, damit der neue Content nicht zu schnell durchgespielt wurde. Wer erinnert sich nicht an den Schock, den man bekam, wenn man fix von 58 bis 60 geleveltwar und dann sah, wieviel Erfahrungspunkte nun bis zur Stufe 61 zu ergattern waren?
Das änderte sich aber wieder mit dem Erscheinen von WotLK: Bereits im Vorfeld waren die Anforderungen in der alten Welt ja deutlich heruntergeschraubt worden und dann wurde auch die Scherbenwelt kräftig entschärft. Der Clou aber war der Todesritter, der dann mit der eigentlichen Erweiterung kam: Mit ihm bekommt der Spieler einen Anreiz, WotLK bereits zu kaufen, bevor er überhaupt auch nur den kleinsten Blick durch das Dunkle Portal in die Scherbenwelt, geschweige denn nach Nordend werfen darf.
Früher musste man sich einigermaßen anstrengen, bis man den Level 40 erreicht hatte und reiten durfte. Heute ist das keine große Sache mehr...
Das Leveln des Todesritters gestaltet sich dann auch alles andere als schwierig. Zugegeben: Das Aufbauen des Chars in der neuen Heldenklasse ist gewissermaßen ein Spiel im Spiel und hat seinen eigenen Reiz, auch wenn es nicht besonders schwierig ist und man die Items, Talentpunkte und sogar noch ein Epic-Mount hinterhergeworfen bekommt. Bis der Todesritter dann landfein ist, hat er auch schon Lvl 58 und kann in die Scherbenwelt.
Weil er nun einmal dermaßen imba ist, bekommt er auch nicht, wie normalsterbliche Chars, erst einmal kräftig die Hucke voll. Er überlebt vielmehr weitgehend problemlos unter Höllenorks, Arakkoa und Felshetzern. Auch die anderen Gebiete kann er jeweils schon mit einer Stufe betreten, auf der Jäger, Krieger und so weiter noch nicht einmal genau wissen, wie man „Zangarmarschen“ oder „Schergrat“ überhaupt schreibt. Entsprechend schnell k0mmt er natürlich auch auf Lvl 68 und in den Genuss des eigentlichen Contents von WotLK. Und genau das ist der Zweck der Übung.
Fazit:
Tja, es tut mir leid, das sagen zu müssen: der sagenhafte Todesritter ist in der Tat keine Belohnung für in zahlreichen Kämpfen gestählte und ergraute Recken von Azeroth, sondern: Eine Klasse für Noobs, eine Abkürzung für diese nach Nordend. Blizzard lebt nun einmal nur indirekt davon, das wir Spaß und Erfolgserlebnisse haben, sondern in erster Linie davon, dass möglichst viele Leute WoW, möglichst gleich mit allen Erweiterungen, kaufen und spielen.
Das ärgerliche daran ist, dass es funktioniert: Bei den heutigen Anforderunge ist auch ein Neueinsteiger recht fix auf 55 gelevelt und taucht kurz darauf mit einem Todesritter in der Scherbenwelt auf. Schon da kann er ohne viel Spielkönnen deutlich größere Chars anderer Klassen wegputzen. Wer nach alter Väter Sitte mit einer herkömmlichen Klasse dort questet, muss ständig damit rechnen, dass er gnadenlos gegankt wird. Besonders perfide dabei: Weil der Deathknight wesentlich größere Chars wegputzen kann, bekommt er auch noch Ehre satt für die Gankerei.
Beliebt ist es auch, Posten der jeweiligen Gegenseite für einen kleinen Ein-Mann-Raid zu besuchen, vor allem wenn der Todesritter die 80 erreicht hat. Daher kann es einem heute sogar in der Scherbenwertwelt und in Nordend noch passieren, dass man nicht weiterkommt, weil irgend so ein Todesritter die Questgeber und den Flugmeister umgenietet hat.
Man muss also sagen, dass der Todesritter für die meisten Spieler das Spielerlebnis nicht verbessert, sondern eher verschlechtert hat. Daran wird sich auch vorerst nichts ändern, denn ganz offensichtlich sind die Zugewinne bei den Noobs größer als der Schwund bei den alten Spielern, die durch die Todesritter genervt das Spielen aufgeben.
Ein kleiner Tipp aus dem zwergischen Nähkästchen vom alten Drahtbart: Wie gesagt, natürlich habe auch ich einen Todesritter, besser gesagt eine Todesritterin. Und manchmal juckt es mich gewaltig, diese Dame – können Zwerginnen eigentlich Damen sein? 😉 – fix auf 80 zu leveln, anständig zu equippen und zu skillen, damit ich die Hordler plätten kann, die meine kleineren Chars ständig ganken. Aber ich halte mich bis jetzt noch zurück, denn ich habe noch einige Twinks, welche die Ochsentour durch die Scherbenwelt und Nordend noch vor sich haben. Und die käme mir umso härter vor, wenn ich sie schon einmal im Schnelldurchlauf mit meiner Todesritterin Ebselnegrewz gemacht hätte.
Read Full Post »