Peter Dempf aus Augsburg ist vor allem als Autor von historischen Romanen wie „Der Teufelsvogel des Salomon Idler“ bekannt. Außerdem hat er zu der Droemer-Knaur-Reihe „Die Legenden von Phantasien“ einen Band beigetragen, der mir auch sehr gut gefallen hat: „Die Herrin der Wörter“. Das Buch ist schon eine Weile auf dem Markt, aber das ändert nichts daran, dass es eine Empfehlung wert ist.
Wie man weiß, neige ich ja zu einer gewissen Skepsis, wenn in einer Fantasy-Geschichte weder Zwerge noch Orks vorkommen. Trotzdem lasse ich mich immer wieder auf Fantasy-Literatur ein, die abseits der sattsam bekannten Welten spielt, nichts mit Mittelerde, Abeir-Toril, Krynn, Azeroth und wie sie alle heißen zu tun hat und sich auch nicht an die gängigen Klischees von Zwergen, Elfen und Orks hält. Ich habe natürlich festgestellt, dass sich das durchaus lohnen kann und hier ja unter anderem auch die Zamonien-Romane von Walter Moers hier vorgestellt.
So habe ich mich auch an „Die Herrin der Wörter“ von Peter Dempf heran gewagt, zumal mir der Schriftsteller von seinem „Teufelsvogel“ her bekannt war, den ich sehr gerne gelesen habe. Phantasien weist, wie aus der „Unendlichen Geschichte“ von Michael Ende bekannt ist, gegenüber den sonst bekannten Fantasy-Welten eine Besonderheit auf: Es hat keine feste Geographie sondern verändert sich ständig. Daher können einem Autor, der eine Phantasien-Geschichte schreibt, eigentlich keine geographischen Fehler unterlaufen, die sonst leicht passieren, vor allem, wenn eine Welt nicht so ausführlich kartiert ist, wie etwa Abeir-Toril. Das ist sicherlich ein Vorteil für einen Autor, der kein typischer Fantasy-Freak ist, der sich mit Begeisterung durch Landkarten und geographische Beschreibungen fiktiver Länder und Kontinente wühlt.
Die Story
Die Nebelzwerge haben mit Wörtern zu tun, sie sammeln sie und die Geschichten, die aus ihnen bestehen. Wörter sind wichtig und müssen zur Verfügung gestellt werden, damit man die Dinge bezeichnen kann. Wörter zu finden und zu bewahren, ist die Aufgabe der Nebelzwerge, was besonders in Phantasien wichtig ist, das ja bekanntlich ständig von dem Wörter verschlingenden Nichts bedroht ist. Früher reisten sie dazu in ganz Phantasien herum, sammelten Geschichten und suchten seltene Wörter und bewahrten sie vor dem Vergessen.
Heute sind die Nebelzwerge jedoch etwas heruntergekommen und sesshaft geworden. Nur noch wenige Alte beherrschen die Kunst, Geschichten so zu erzählen, dass die Zuhörer sie selbst erleben und ausgerechnet die letzte Nachfahrin des berühmtesten Geschichtenerzählers in dessen Familie sich diese Gabe vererbt, eignet sich nicht für den Beruf: Das Nebelzwergenmädchen Kiray stottert und ist daher bei ihren Mitzwergen wenig angesehen, besonders weil ihr Sprachfehler die Hoffnung auf ein Fortleben der magischen Erzählkunst bei den Nebelzwergen zerstört hat.
Zu allem Überfluss erscheint auch immer wieder der geheimnisvolle Sammler, der den Zwergen die Wörter stiehlt. Dadurch verlieren diese ihre Sprache, werden quasi zu Tieren und müssen mühsam alles neu erlernen. Mit dem Sammler hat offensichtlich auch der Alp zu tun, ein Grenzgänger, der das Nichts durchschreiten kann, das Phantasien von einer von manchen Gelehrten dahinter vermuteten anderen Welt trennt. Diesem Alp begegnet Kiray und ein geheimnisvoller Fremder hilft ihr, ihm zu entkommen.
Sie erhält die Aufgabe den Sammler zu verfolgen und die sagenhafte Herrin der Wörter zu suchen, die bisher noch von keinem Nebelzwerg gefunden werden konnte. Was Kiray nicht weiß oder zumindest nicht glauben kann: Obwohl sie – noch – stottert, trägt sie die Gabe des Geschichtenerzählens in sich…
Kritik
Peter Dempfs „Herrin der Wörter“ ist sicherlich nicht die ganz große Literatur, jedoch ein solides Stück Schriftstellerarbeit, das man durchaus empfehlen kann. Es gehört ganz sicher nicht zu der Art von Fantasy-Roman(reih)en, denen man leider die Abkunft von Groschenromanen nur allzu deutlich anmerkt (die ich aber, wie ich verschämt gestehen muss, trotzdem mit Begeisterung lese), sondern darf sich durchaus als „gutes Buch“ bezeichnen.
Selbstverständlich ist in der „Herrin der Wörter“ auch nicht alles entweder schwarz oder weiß wie in einem Märchen, sondern es gibt Grautöne, wie ja in der Fantasy-Literatur im Gegensatz zu diesem üblich. Es entpuppen sich zum Teil vermeintliche Feinde als Freunde und umgekehrt, so dass die Spannung nicht zu kurz kommt. Und wer will, kann natürlich auch eine „Moral“ in der Geschichte finden, nämlich die, dass nur der keine Chance hat, der sie nicht nutzt: Schließlich ist Kirays Stottern für sie als Nebelzwergin eine besonders schlimme Behinderung, die sie aber nicht davon abhält, mutig ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.
Außerdem liest sich „Die Herrin der Wörter“ auch noch sehr gut. Das Buch ist, wie man das von Peter Dempf kennt, in flüssiger und gepflegter, aber keineswegs abgehobener Sprache geschrieben. Ganz einfach so, dass man es leicht lesen kann, ohne dass es anspruchslos wäre. Im Stil genauso wie im Inhalt ein runde Sache, kann man das Buch jedem empfehlen und wer noch nach einem Buch fürs Lesevergnügen über die Osterfeiertage sucht (falls das Wetter mal wieder nicht so toll wird), ist damit gut beraten – gerade auch, wenn er nicht unbedingt ein typischer Fantasy-Leser ist.
Peter Dempf
Die Herrin der Wörter
Droemer/Knaur; Auflage: 1 (23. September 2004)
ISBN-10: 342619645X
ISBN-13: 978-3426196458
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